IVD Plus Magazin

Berechnungszeitraum der ortsüblichen Vergleichsmiete

Autor: Prof. Dr. Marco Wölfle

Miete 2.0 oder Manipulationsgesetz? Was bedeutet der nächste staatliche Markteingriff für die Märkte im IVD Berlin-Brandenburg?

Berechnungszeitraum der ortsüblichen Vergleichsmiete

Der Gesetzgeber möchte den Berechnungszeitraum der ortsüblichen Vergleichsmiete „auf eine breitere Basis“ stellen. Konkret soll künftig die Berechnung des Mietspiegels nicht nur auf Basis der vergangenen 4, sondern künftig 10 Jahre erfolgen. Was auf den ersten Blick nach einer breiteren Datenbasis aussieht, kann in Märkten mit Auf- und Abwärtstrends zu deutlichen Verzerrungen und Umverteilungen führen.

Das aktuelle CRES-Gutachten im Auftrag des IVD Bundesverbandes zeigt deutlich, dass durch die geplante Veränderung der Mietspiegel nicht mehr seinen eigentlichen Zweck als Messinstrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete dient, sondern als Steuerungsmaßnahme politisch gewünschter Mieten verwendet werden soll. Je stärker Auf- oder Abwärtstrends der Mieten in einer Region ausfallen, desto drastischer sind die Auswirkungen. Bei steigenden Miettrends wird bei der Ermittlung des Mietspiegels nicht nur auf die ohnehin niedrigeren 4 Vorjahresmieten zurückgegriffen. Künftig sollen diese noch um weitere 6 noch niedrigere Mieten ergänzt werden, die im Ergebnis den Durchschnittswert absenken. Da an vielen Stellen der Bestandsschutz greift, werden Vermieter wohl keine Absenkungen im laufenden Mietverhältnis fürchten müssen. Schließen sie jedoch neue Verträge ab, findet hier eine Orientierung künftig am niedrigeren Maßstab statt.

Um die Wirkung eines längeren Berechnungszeitraums zu veranschaulichen, wurde aus dem IVD-Mietspiegel bestimmt, wie hoch ein Mietspiegel bei vierjähriger und bei zehnjähriger Berechnungsmethode ausfallen würde. Die unten stehende Tabelle zeigt für ausgewählte Gemeinden im Regionalverband, wie stark der künftige Mietspiegel unter dem aktuellen Mietspiegel liegen würde.

Wie stark der künftige Mietspiegel unter dem aktuellen Mietspiegel liegen würden:
AltersklasseNeubauBestand ab 1949Bestand bis 1948
Wohnwertgutmittelgutmitteleinfachgutmitteleinfach
Berlin/Ost1,50 €1,11 €0,86 €0,69 €0,59 €1,06 €1,04 €0,79 €
Berlin/West1,66 €1,28 €1,03 €0,83 €0,60 €1,15 €1,20 €0,92 €
Brandenburg/H.0,66 €1,02 €0,61 €0,49 €0,48 €0,46 €0,20 €0,78 €
Cottbus0,27 €0,27 €0,01 €0,01 €0,43 €0,09 €0,11 €0,49 €
Frankfurt (Oder)0,65 €0,50 €0,27 €0,58 €0,23 €0,13 €0,46 €0,29 €
Potsdam0,89 €1,08 €0,97 €0,64 €0,56 €0,78 €0,70 €0,55 €

Quelle: Berechnungen auf Basis des IVD-Mietpreisspiegels, 2016.

So sinkt beispielsweise die Quadratmeterkaltmiete der Durchschnittswohnung in Berlin, die nach 1949 mit mittlerem Ausstattungsstandard erstellt wurde, um 0,69 € je Monat ab. Was auf den ersten Blick wenig erscheint, bedeutet aber auf Jahr und Quadratmeterzahl (ca. 70 m2) gerechnet einen Verzicht auf künftiges Mietsteigerungspotential von rund 580 €/Jahr. Während im guten Neubau in Frankfurt an der Oder ähnlich große Beträge zu erwarten sind, beläuft sich der Betrag im Neubau guter Ausstattungsqualität in Berlin mit rund 1.390 €/Jahr auf mehr als das Doppelte.

Auch hier täuscht der erste Blick erheblich. Denn man könnte glauben, dass die genannten Beträge in Neuverträgen auf die Restnutzungsdauer der Objekte multipliziert werden müssten, um gesamte Ausfälle im Mietsteigerungspotential abzuschätzen. Jedoch wird dadurch der Effekt falsch eingeschätzt und zwar nicht wegen fehlender Berücksichtigung von Diskontierung oder der noch ergänzend hinzukommenden Mietpreisbremse, deren Effekt in den oberen Beispielwerten gar nicht berücksichtigt ist. Die Ursache liegt vielmehr in einer Rückkoppelung.

Der Mietspiegel wird aus Mieten der vergangenen Jahre gebildet und beeinflusst damit künftige Mieten. Die obigen Rechnungen zeigen, dass nach der Anpassung des Berechnungszeitraums der Mietspiegel geringer ausfällt und damit auch künftige Mietsteigerungen geringer werden. Damit fällt aber wiederum ein künftiger Mietspiegel geringer aus, der dann wieder folgende Mieten reduziert. Dieser Zirkelschluss kann also sehr schnell zu einem Einfrieren der Mieten führen.

Frieren die Mieten auch im Gebiet des IVD Berlin-Brandenburg ein, die nicht zu den wachsenden Ballungszentren zählen, sondern vielmehr durch sinkende Immobiliennachfrage und den demographischen Wandel betroffen sind? In Teilmärkten mit fallendem Miettrend kehrt sich die Logik. Während bei steigenden Mieten der Mietspiegel durch die Verlängerung des Zeitraums deutlich absinkt, würde der Mietspiegel bei sinkendem Markttrend deutlicher über der aktuellen Marktmiete liegen. Gewinnen dann in diesen Regionen die Vermieter auf Kosten der Mieter, während es sich in den oben genannten Städten eher umgekehrt verhalten wird? Die Antwort lautet schlicht nein. Mieter werden vom Vermieter nur schwer zu überzeugen sein, sich statt der leicht durch Online-Portale einsehbaren Marktangebotsmieten an den höheren Mietspiegelwerten zu orientieren – insbesondere, wenn die Auswahl groß ist.

Gerade kleine ländliche Gemeinden werden durch einen weiteren Effekt der Maßnahme doppelt getroffen. Die Ermittlung eines qualifizierten Mietspiegels nach wissenschaftlichen Maßstäben ist regelmäßig Gegenstand von Presseberichten, weil sie durch die regionalen Unterschiedlichkeiten von Immobilienmärkten nicht per Checkliste oder Reißbrettmodell möglich ist. Viele Gemeinden können sich bereits nach den bestehenden rechtlichen Rahmenbindungen den hohen finanziellen Aufwand nicht leisten, der sich mindestens im mittleren fünfstelligen Eurobereich befindet und jedes zweite Jahr wiederholt werden muss. Sollen Daten statt aus 4 künftig aus 10 Jahren ermittelt werden, so ist klar, dass der Erhebungsaufwand deutlich zunehmen und damit Bürokratiekosten deutlich steigen werden. Dies könnte dazu führen, dass strukturschwache Regionen umso mehr die Erstellung eines Mietspiegels gegen andere finanzielle Engagements abwägen müssen.

Aber auch in den Ballungszentren wird es unter den Mietern Verlierer geben. Mietregulierung ist nichts Neues. Und so genügt ein Blick auf ausländische Märkte mit vergleichbaren Regelungen. Die Folge derartiger Maßnahmen war meist eine deutliche Zurückhaltung der Investitionen in den Immobilienmarkt. Beispielsweise brachen in manchen kanadischen Regionen die Baufertigstellungszahlen quasi über Nacht auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Werte ein. Zentren wie Berlin, die ohnehin durch ein zu geringes und zu langsam wachsendes Immobilienangebot gekennzeichnet sind, könnten daher noch stärkere Zeichen von Knappheit auf dem Wohnungsmarkt bevorstehen. Das wird wohl auch dem Mieter nicht gefallen, der aus Altersgründen in eine kleinere und günstigere Wohnung umziehen möchte oder sich aufgrund der Familiengründung räumlich vergrößern möchte.

Die in diesem Artikel aufgeführten Berechnungen wurden auf Basis des IVD-Marktmietspiegels durchgeführt. Vom IVD werden in regelmäßigen Abständen Daten erhoben, indem dessen regionale Experten zur Einschätzung über das aktuelle Mietniveau in verschiedenen Ausstattungs- und Altersklassen befragt werden. Die Werte wurden vor der Verwendung durch das CRES wissenschaftlich überprüft und bei ausreichender Datenqualität interpoliert. Aktuelles Marktmonitoring mit wissenschaftlicher Begleitung und entgeltfreien Berichten für Mitglieder ist ein Plus der Mitgliedschaft im IVD.