IVD Plus Magazin

Das neue Widerrufsrecht nach der Verbraucherrechterichtlinie

Autor: Ulrich Joerss

Durch Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2011/83/EU hat der deutsche Gesetzgeber das Widerrufsrecht für Verbraucher im BGB weitgehend umgestaltet. Ziel der Neuregelung ist die Vereinheitlichung der Verbraucherrechte auf Europäischer Ebene.

Immobilien Widerrufsrecht

Die bereits zum Teil seit 1985 geltenden europarechtlichen Vorgaben waren vorher in den Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt worden. Auch soll mehr Transparenz für Verbraucher geschaffen werden. Die in Deutschland am 13. Juni 2014 in Kraft getretene Neuregelung führt zu einer Umstellung der bisher üblichen Geschäftsabläufe, was sich aber in der Praxis als durchaus handhabbar zeigt.

Anwendung des Widerrufsrechts auf Verbraucher-Maklerverträge steht nun fest

Wenngleich nach der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Rechtslage umstritten war, ob Maklerverträge unter das Widerrufsrecht fallen (nach Landgericht Hamburg 307 O 42/12 kein Widerrufsrecht; nach Landgericht Bochum I – 2 O 498/12 Widerrufsrecht auch für Maklerverträge), ist nach der neuen Rechtslage davon auszugehen, dass auch Maklerverträge dem Widerrufsrecht unterliegen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gilt das Widerrufsrecht für „Verträge über Dienstleistungen“. Im eigentlichen Sinn erbringt der Makler keine Dienstleistung, denn er wird nur im Erfolgsfall bezahlt. Auch unterscheidet den Makler vom üblichen Dienstleister, dass für ihn üblicherweise keine Pflicht zum Erbringen seiner Tätigkeit besteht. Unter Randziffer 26 der Europäischen Richtlinie sind die Leistungen von Immobilienmaklern aber ausdrücklich genannt. Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der Richtlinie dementsprechend vergütungspflichtige Verträge zwischen Unternehmer und Verbraucher grundsätzlich dem Widerrufsrecht bei Vorliegen einer Widerrufssituation unterworfen (§§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB). Das Widerrufsrecht gilt bei Verträgen, die außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers geschlossen werden (§ 312b Abs. 1 BGB) und bei Verträgen, die im Fernabsatz geschlossen werden (§ 312c Abs. 1, Abs. 2 BGB), also Verträgen, die unter Verwendung von Internet, E-Mails, SMS, Telefon und Briefen geschlossen werden. Das Widerrufsrecht gilt mithin für sämtliche Maklerverträge, die nicht im Büro des Maklers abgeschlossen werden.

Ausnahme: Verträge mit Unternehmern, nicht Gründern Das Widerrufsrecht gilt für Verträge mit Verbrauchern. Ein Vertrag zwischen zwei Unternehmern kann daher nicht widerrufen werden. Diese Ausnahme kommt insbesondere bei der Gewerbevermietung oder dem Verkauf von Grundstücken an unternehmerisch handelnde Immobiliengesellschaften in Betracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Unternehmensgründer, der beispielsweise Geschäftsräume zum Betrieb eines Restaurants anmietet, bei Abschluss des Maklervertrags und auch der Anmietung in der Regel noch nicht unternehmerisch handelt. Hier handelt es sich in der Regel nur um Vorbereitungshandlungen zur Gründung des Gewerbebetriebs. Auch bei der Vermietung von Gewerbeflächen sind Verbraucherrechte daher erst einmal zu berücksichtigen.



Konsequenz der neuen Verbraucherrechte – keine Vergütung bei Verstoß

Übt der Vertragspartner das ihm zustehende Widerrufsrecht aus, ist er an den mit dem Unternehmer geschlossenen Vertrag nicht mehr gebunden (§§ 355, 357 BGB). Erhaltene Gegenstände sind zurückzugeben. Dies ist bei Leistungen von Immobilienmaklern typischerweise nicht möglich. Wertersatz für eine erhaltene Dienstleistung muss der Verbraucher nach Ausübung des Widerrufs nur leisten, wenn er a) ordnungsgemäß über seine Verbraucherrechte informiert wurde und er b) ausdrücklich verlangt hatte, dass mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen werde. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, muss er für erhal-tene Dienstleistungen keinen Wertersatz zahlen. Nach der bis einschließlich zum 12. Juni 2014 geltenden Rechtslage war dies noch anders, der Verbraucher musste auch ohne Widerrufsbelehrung Wertersatz leisten. Das Landgericht Bochum (siehe oben) schätzte den Wertersatz mit 20 Prozent der Provision.

Unterschiedliche Dauer der Widerrufsfrist – Beginn der Frist

Erhält der Verbraucher eine ordnungsgemäße Belehrung über den Widerruf mit Musterwiderrufserklärung, beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage ab Vertragsschluss (§ 355 Abs. 2 BGB). Hierbei ist der Vertragsschluss nicht mit dem Versand von Exposé und Widerrufsbelehrung gleichzusetzen. Erhält der Verbraucher Exposé und Widerrufsbelehrung unaufgefordert, ist eine bestätigende Handlung des Verbrauchers für den Vertragsschluss und somit Beginn der Widerrufsfrist erforderlich. Nur wenn der Verbraucher die Informationen zur Immobilie in Kenntnis der Provisionspflicht beim Makler für dieses Objekt von sich aus angefordert hat, liegt der Vertragsschluss in der Übersendung der Unterlagen durch den Makler. Erhält der Verbraucher keine ordnungsgemäßen Informationen über die Widerrufsrechte oder kein Widerrufsmuster, kann er den Vertrag 12 Monate und 14 Tage lang widerrufen (§ 356 Abs. 3 BGB). Ausreichend für das Einhalten der Widerrufsfrist ist die Absendung des Widerrufs durch den Verbraucher.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht – kundenspezifische Ware

Vom Widerrufsrecht sind verschiedene Leistungen ausgenommen, zum Beispiel die Lieferung von schnell verderblichen Waren, Verträge über die Beförderung von Personen, Investments am Finanzmarkt mit schwankenden Preisen, eine Lotterie etc. (§ 312g BGB). Eine wichtige Ausnahme bilden Verträge zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation hergestellt werden (§ 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies kann für einzelne immobilienbezogene Leistungen durchaus anwendbar sein. Erforderlich ist dafür nach Artikel 2 Abs. 3 der EU-Richtlinie, dass es sich bei der hergestellten Ware um einen körper-lichen Gegenstand handelt. Digitale Inhalte gelten hier nicht als Ware. Denkbar ist diese Ausnahmeregelung für Gegenstände, die zur Vermarktung der Immobilie hergestellt werden, beispielsweise Werbemittel. Bei einem Gutachterauftrag ist der Inhalt des Auftrags entscheidend. Ist der Auftrag auf die Bewertung einer Immobilie gerichtet, so steht bei der Beauftragung die Dienstleistung die Bewertung im Vordergrund, selbst wenn ein Gutachten hergestellt wird. Auf Mietverträge über Wohnraum ist das Widerrufsrecht übrigens auch anwendbar, wenn der Vermieter Unternehmer und der Mieter Verbraucher ist und der Mieter die Wohnung nicht zuvor besichtigt hat (§ 312 Abs. 4 BGB).

Gestiegene Qualität der Anfragen

Die von der Neuregelung vorgesehen Transparenz des Vertragsschlusses führte zunächst von Überraschungseffekten am Markt zu teilweiser Ablehnung durch Kunden, da Maklerverträge in der Vergangenheit zumeist unbewusst, wenngleich verbindlich geschlossen wurden. Das neue Bewusstsein der Vertragsbindung führt auch heute noch teilweise zu zurückhaltendem Verhalten der Interessenten. Der zahlenmäßige Rückgang der Anfragen ist dabei üblicherweise mit einer Steigerung der Rechtssicherheit und der Qualität der Anfragen verbunden. Die Anpassung der Geschäftsabläufe an die neue Rechtslage erfordert eine Abstimmung mit den individuellen Geschäftsabläufen eines Immobiliendienstleisters. Ein einheitliches Vorgehen sämtlicher Immobilienmakler, -verwalter oder -gutachter ist daher nicht möglich. In der Praxis haben sich folgende Methoden zur Umsetzung der neuen Rechtslage bewährt.

Information über Widerrufsrecht, Widerrufsbelehrung und Musterwiderruf

Beim Vertragsschluss sollte der Kunde stets über die Widerrufsrechtssituation a) informiert werden, außerdem sind b) eine Widerrufsbelehrung und c) ein Widerrufsmuster, die sich an den im Gesetz enthaltenen Formularen orientieren, zu übermitteln. Etwas anderes gilt nur, wenn sichergestellt ist, dass der Vertragsschluss ausschließlich mit Gewerbetreibenden erfolgt oder in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfindet. Die größeren Immobilienportale bieten hier bereits Module zur Übermittlung dieser Unterlagen an. Zum Teil ist hier aber auch in 2015 noch festzustellen, dass auch bei bekannten Portalen zwar o. g. Information nach a) erbracht wird, dem Unternehmer die Übermittlung der Texte nach b) und c) nicht abgenommen wird.

Da nach einer Kontaktaufnahme zum Kunden üblicherweise auch für andere Objekte Angebote übermittelt werden, ist die eigene Versendung von Widerrufsbelehrung/Musterwiderrufsformular erforderlich, da Maklerverträge in der Regel nur auf eine Einzelimmobilie bezogen abgeschlossen werden. Ändert sich der Maklerauftrag, ist eine neue Belehrung erforderlich. Nur bei Einhalten der Formalitäten besteht das Widerrufsrecht für 14 Tage. Anderenfalls dauert es 12 Monate und 14 Tage an. Ein Kunde könnte dann zumeist auch nach erhaltener Leistung den Vertrag Widerrufen, ohne zu einer Zahlung verpflichtet zu sein.

Sofortiges Leistungsverlangen „Widerrufsverzicht“

Der Gesetzgeber hat berücksichtigt, dass ein bestehendes Widerrufsrecht das sofortige Erbringen von Dienstleistungen erschwert. Der Verbraucher kann daher freiwillig seine Rechte einschränken und die Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangen. Hierzu ist es erforderlich, dass der Verbraucher:

  1. ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert wird,
  2. eine Widerrufsbelehrung und ein Musterwiderrufsformular erhält und
  3. ausdrücklich verlangt, dass die Leistung vor Ablauf des Widerrufsrechts beginnt.

Die Praxis zeigt, dass zur Akzeptanz einer solchen Leistungsbeschleunigung ein deutlicher Hinweis erforderlich ist, dass der Makler eine Bezahlung ausschließlich bei Ankauf bzw. Anmietung verlangt.

Unser Tipp:

Vertragliches einräumen von Widerrufsrechten

Um einem unternehmerisch handelnden Interessenten nicht „versehentlich“ ein Widerrufsrecht einzuräumen, ist bei den Hinweisen auf das Widerrufsrecht in den Geschäftsunterlagen drauf zu achten, dass eine Formulierung gewählt wird, nach der das Widerrufsrecht nur bei Verbrauchern gilt. Ein genereller Verweis auf ein Widerrufsrecht kann dazu führen, dass ein gesetzlich nicht bestehendes Widerrufsrecht auch dem unternehmerisch handelnden Vertragspartner freiwillig eingeräumt wird.

Für das vorzeitige Leistungsverlangen bieten mehrere Softwareanbieter entsprechende Module an (z. B. RE-SHARE, onOffice, FlowFact, …). Die Erklärung des Kunden per E-Mail, dass er den Leistungsbeginn vor Ablauf der Widerrufsfrist verlange, gestaltet sich hingegen unpraktikabel, da die Erklärung des Kunden nach dem Wortlaut des Gesetzes „ausdrücklich“ erfolgen muss und vorformulierte E-Mails nur umständlich zu gestalten sind. Verlangt der Kunde die vorzeitige Leistung vor Ort, also vor Beginn der Besichtigung, muss diese Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen, zum Beispiel Papier. Ein entsprechendes Formular, auf welchem die Widerrufsbelehrung, der Musterwiderruf und das vorzeitige Leistungsverlangen wiedergegeben sind, stellt der IVD zur Verfügung.

Vertragsschluss nur noch im Büro

Bei Maklern und Immobiliendienstleistern mit starker Kundenbindung finden die Planung und Besprechung neuer Vorhaben oder Gesuche des Kunden teilweise im Büro des Unternehmers statt. Verträge über die Beauftragung des Unternehmers, die in den Geschäftsräumen geschlossen werden, unterliegen keinem Widerrufsrecht. Gelingt es, den Geschäftsablauf so zu gestalten, dass diese Verträge in den eigenen Geschäftsräumen geschlossen werden, kann der Ablauf von den Formalitäten der neuen Rechtslage entfrachtet werden. Ein Kunde, der den Unternehmer in den Geschäftsräumen aufsucht, ist vom Abschluss eines vergütungspflichtigen Vertrags nach Wertung des Gesetzgebers nicht überrascht, es bestehen daher keine Widerrufsrechte. Dieser Grundsatz – Termine grundsätzlich im Büro – wird sich allerdings nur bei einem geringen Anteil der Immobiliendienstleister umsetzen lassen.

Weitere Informationspflichten, Vertragsbestätigung und -abschriften

Bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden, ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher Abschriften auf Papier zur Verfügung zu stellen (§ 312f BGB). Bei Verträgen, die im Fernabsatz geschlossen werden (Internet, E-Mail, Telefon, Post, …) ist der Unternehmer verpflichtet, eine Bestätigung des Vertragsinhalts und eine Korrekturmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.

Unser Tipp:

Einmalige zusammenfassende Widerrufsbelehrung bei Suchauftrag

Erteilt der Verbraucher einem Makler einen provisionspflichtigen Suchauftrag, so sind in diesem Rahmenvertrag sämtliche Immobilien zusammengefasst, die den Suchkriterien entsprechen. Dies hat zur Folge, dass die Informationen über das Widerrufsrecht, Widerrufsbelehrung und Musterwiderruf einheitlich bei Erteilung des Suchauftrags erfolgen können. Bei später dem Interessenten vorgestellten Folgeobjekten tritt dann ein unkomplizierter Geschäftsablauf ein, wenn nach Ablauf der Überlegungsfrist des Verbrauchers Rechtssicherheit eingetreten ist. Auch für den Kunden wird der Geschäftsablauf bei Einsatz von Suchaufträgen erleichtert, da nach Ablauf der Widerrufsfrist ohne weitere Formalitäten sofortige Besichtigungen ohne weiteren Aufwand möglich sind.

Dieses Prozedere ist von anderen online abgeschlossenen Verbraucherverträgen, zum Beispiel dem Versandhandel her, bereits bekannt. Die Erfüllung der Informationspflichten hat sich am Markt noch nicht umfassend durchgesetzt, hier werden sich transparente und kundenfreundliche Formulierungen noch bewähren, mit denen dem Kunden zum Beispiel für den erteilten Auftrag gedankt und auf eine Korrekturmöglichkeit für unrichtig aufgenommene Daten hingewiesen wird.